Wenn ich derzeit schon nicht zum ausgiebigen Kochen mit dem Schnellkochtopf komme, dann müssen andere Anlässe herhalten, um wieder für etwas neuen Text hier auf Schnellkochtopf-Rezept.de zu sorgen. Eine Steilvorlage bekam ich Mitte letzter Woche von einem Redakteur der “Rheinpfalz” geliefert: er fragte mich nach einem Interview zum Thema Schnellkochtopf und Atommüll. Auslöser waren die öffentlich gewordenen Pläne des französischen Nuklearzentrum Valduc, mal eben 4000 Schnellkochtöpfe zu kaufen, um atomares Material in der Gegend herum zu tragen. Das Thema war mir völlig durch die Lappen gegangen. Kein Wunder, bin ich doch nebenbei auch noch mit einem Hausbau beschäftigt.
Ich habe freudig und kurzentschlossen dem Interviewwunsch zugestimmt und so telefonierten Herr Schmitt und ich sehr locker über Schnellkochtöpfe in der Küche und Nuklearzentren. Daraus entstand das folgende Interview, welches gestern in der “Rheinpfalz am Sonntag” erschien:
Quergefragt: Atomlager im Schnellkochtopf?
„Clevere Idee“
Herr Dutschke, vergangene Woche suchte das französische Nuklearzentrum Valduc per Internet 4000 Schnellkochtöpfe, um darin atomares Material zu lagern. Ist das eine sinngemäße Anwendung diese Kochgeräts?
Ich dachte auch erst, das ist ein Witz.Aber je länger ich darüber nachdenke, desto cleverer erscheint mir die Idee. Wobei es mir als Hobby-Koch lieber wäre, die Töpfe stünden auf dem Herd und nicht im Lager.
Was ist am Schnellkochtopf-Zwischenlager so clever? Für mich gewinnt da der Begriff „Schneller Brüter“ einen ganz neuen Beigeschmack.
Nehmen wir die harten Fakten: Die Franzosen haben Behälter gesucht, die sehr robust sind, gut verschließbar, vergleichsweise luft- und staubdicht und die sogar einen gewissen Strahlenschutz bieten. Voilà: Der Schnellkochtopf aus Edelstahl mit dem einrastenden Deckel hat das alles.
Und ist auch in großen Mengen deutlich günstiger als ein Castor-Behälter.
Das halte ich für das Allercleverste an dem ganzen Plan. Schnellkochtöpfe sind Massenware. Deutsche Produkte kosten zwischen 80 und 150 Euro. Die fassen allerdings maximal zehn Liter. Die Franzosen suchen 17-Liter-Töpfe. Das ist dann schon eher Großküche denn normaler Haushalt.
Das Preis-Leistungs-Verhältnis dürfte dennoch unschlagbar sein. Nur muss ich zugeben, dass mich bei einem Dampfdrucktopf das Unbehagen beschleicht, er könnte explodieren.
Dieser Vorbehalt ist weit verbreitet, aber ich versichere Ihnen: Damit einer in die Luft geht, muss man schon sehr viel verkehrt machen.
Was macht sie so sicher? Ich meine, die Töpfe?
Zum einen, dass der Deckel einrastet. Dann gibt es ein Überdruckventil, das überschüssigen Druck ablässt, sowie ein Sicherheitsventil. Man muss nur darauf achten, den aufgeheizten Topf abkühlen zu lassen, bevor man ihn öffnet. Sonst könnte der Inhalt tatsächlich mal an der Decke hängen.
Wie funktioniert dieses Höllenteil?
Kein Höllenteil. Ein unheimlich praktisches Kochgerät, schonend, schnell, energiesparend. Grob gesagt: Man füllt etwas Wasser hinein und heizt den Topf mit geschlossenem Deckel bis zur gewünschten Garstufe auf. Innen bildet sich ein Überdruck von etwa 1,8 bar, der die Siedetemperatur des Wassers auf etwa 116 Grad Celsius hinaufsetzt. Das Wasser wird heißer, man braucht weniger, und die Speisen werden schneller gar.
Okay. Aber gefährlich ist das Ding trotzdem, Terroristen benutzen es.
Sie spielen auf Boston an. Wie gesagt, es gehört einiges dazu, einen Schnellkochtopf zur Explosion zu bringen. Aber wenn der Deckel erst mal wegfliegt, vielleicht durch eine Explosion im Inneren des Topfes, dann sorgt der Überdruck dafür, dass der Topfinhalt schlagartig mit dem überschüssigen Druck entweicht. Was eine verheerende Wirkung haben kann, egal, ob der Inhalt heißes Wasser oder Metall ist.
Eine relativ kleine Explosion lässt sich also exponentiell verstärken?
Ja, in einem kleinen Umkreis. Danach bremst der umgebende Luftdruck die Ausbreitung des Topfinhalts.
Klingt beinahe so, als benötige man bald einen Schnellkochtopf-Schein.
Nun werfen Sie mal nicht alles in einen Topf. In erster Linie ist das ein sehr praktisches Kochgerät, mit dem man vieles machen kann, sogar Babyfläschchen sterilisieren.
Oder Plutonium lagern.
Da ist die Energiequelle gleich integriert. Doch im Ernst: Die Idee ist gut. Ich hätte vor etwas anderem Angst.
Vor was?
Dass angesichts der gestiegenen Nachfrage die Preise für Töpfe explodieren.
(Interview: Martin Schmitt)
Der Friedrichshafener Jörg Dutschke, 45, ist IT-Kundenberater sowie leidenschaftlicher Hobby-Koch und Nutzer von Schnellkochtöpfen. Er betreibt das Blog www.schnellkochtopf-rezept.de.
Ok – die ganze Sache mit dem Strahlenschutz verhält sich ja eher so, dass das Atommaterial in “strahlungssicheren Behältnissen” verpackt wird und dann erst in den Schnellkochtopf kommt. Hier ist bisher keine Aussage zu finden, um was für atomares Material es sich in Wirklichkeit handelt. Mehr Informationen zum Hintergrund für dieses Interview findet man übrigens auf SPON.
Eines ist mit diesem Interview natürlich klar: eine Einreise in die USA kann ich mir auf Lebenszeit schenken. Als Schnellkochtopf-Fan stehe ich vermutlich schon auf irgendeiner Black-List und bin für die USA untragbar geworden. :) Zumal ich in einem separaten Artikel erläutert habe, wie eine Schnellkochtopf-Bombe theoretisch funktioniert. Das kratzt mich aber nicht im Geringsten. Ich bin sowieso der Meinung, dass man mit einem Schnellkochtopf viel besser kochen sollte, als irgendwelche komischen Sachen damit zu veranstalten.
Interessant für mich: Schnellkochtöpfe heißen in Frankreich “Cocotte-Minute”. Das gehört zu dem Wissen, welches ich nie machen wollte, aber nun durfte. :)
Ein Schnellkochtopf ist trotz der zum Teil außergewöhnlichen und mitunter mißbräuchlichen Anwendungen in erster Linie ein hervorragender Kochtopf. Wenn du mit dem Gedanken liebäugelst, dir einen Schnellkochtopf zuzulegen, dann kann ich dir meinen Schnellkochtopf-Ratgeber ans Herz legen.
Mein Dank geht an Herrn Schmitt, dem ich das Interview geben durfte und der unsere lockere Plauderei so toll zu diesem Interview zusammengestrickt hat.
Hier noch ein Bild mit dem Interview aus der “Rheinpfalz am Sonntag”:
Nachtrag: Das Beitragsbild oben entstand NICHT beim Interview, sondern beim BarCamp Bodensee 2017.